Wall of Fame

Portraits

ANDRÉ GERTLER
26. Juli 1907 – 23. Juli 1998
Violinst

André Gertler

André Gertler, geboren am 26. Juli 1907 in Budapest als Endre Gertler war ein international renommierter Violinvirtuose, dessen Einspielungen von Werken Béla Bartóks bis heute Maßstäbe setzen. Im Alter von sechs Jahren wurde der Sohn eines Webers in die Franz Liszt Akademie in Budapest aufgenommen und studierte dort Geige bei Jenő Hubay (einem Schüler Joseph Joachims) sowie Komposition bei Zoltán Kodály. Schon 1928 emigrierte André Gertler, der als Jude zunehmenden Repressionen ausgesetzt war, nach Brüssel und vervollkommnete dort bei Eugène Ysaÿe seine Ausbildung. Schnell erlangte er in den folgenden Jahren auf den internationalen Bühnen Ansehen, auch mit dem 1931 gegründeten André Gertler Quartett.

Sein Repertoire zeigte schon damals seine große Aufgeschlossenheit neuen und zeitgenössischen Kompositionen gegenüber, insbesondere trug er entscheidend dazu bei die Violinkonzerte von Berg und Hindemith im Kanon der Konzertliteratur zu etablieren. Aber auch darüber hinaus stand André Gertler in Kontakte mit Strawinsky, Milhaud, Hindemith oder Hartmann und kann als profunder Kenner der Musik seiner Zeit gelten. Ein besonders enges Verhältnis verband ihn mit seinem Landsmann Béla Bartók, dessen Sonatine Sz. 55 sie 1938 gemeinsam zu einer Fassung für Klavier und Violine bearbeiteten. Diese Einsichten auch in die Arbeitsweise Bartóks machen Gertlers Einspielungen aller seiner Werke für Violine 

– genannt seien das Violinkonzert Nr. 1 Sz. 36 und gemeinsam mit Josef Suk die 44 Duos – über ihre zweifellos hohe ästhetische Qualität hinaus zu einem Zeugnis der interpretatorischen Vorstellungen des Komponisten selbst. Gertlers Einsatz für die zeitgenössische Musik führte ihn zu den großen Festivals für neue Musik in Darmstadt, Salzburg, Stockholm u.a., wo er Kompositionen von Alexandre Tansman, Lars-Erik Larsson, Nils Viggo Bentzon und anderen uraufführte.

1947 wurde André Gertler Professor am Königlichen Konservatorium Brüssel und setzte sich erst recht in der Lehre für die Beschäftigung mit neuer Musik ein. 1954 folgte er zudem einem Ruf an die Staatliche Hochschule für Musik in Köln, wo er drei Jahre lang unterrichte bevor er von 1964 in Hannover wirkte. Unter seinen Schülern finden sich international anerkannte Künstlerpersönlichkeiten wie Joshua Epstein, Carola Nasdala, Hedwig Pirlet-Reines, André Rieu oder Rudolf Werthen.

Die Liste der Gertler zuteil gewordenen öffentlichen Ehrungen weist ihn als einen europäischen, grenzübergreifend für die Musik wirkenden Menschen aus: er erhielt Verdienstorden von den Staaten Belgien, Schweden, Deutschland, Polen und Ungarn und ist Chévalier im ordre des artes et des lettres sowie Ehrenmitglied der Royal Academy of Music. Seine technische Meisterschaft, seine engen Kontakte auch zum zeitgenössischen Musikleben und sein Einsatz für die Pflege eines modernen Repertoires machen ihn zu einer herausragenden Figur unter den Interpreten im Europa des 20. Jahrhunderts.

Literatur

  • Art.: Gertler, André, in: New Grove Dictionary of Music and Musicians, London: Macmillan, 20012, Bd. 9, S. 769.
  • Art.: Gertler, André, in: Musiklexikon. Personen A-Z, Horst Seeger [Hrsg.], Leipzig: Deutscher Verlag für Musik, 1981, S. 272.
  • Gertler, A.: »Souvenirs de caollaboration avec Béla Bartók«, in: La revue musicale, Sonderband No. 224 (1955), Paris: Richard-Masse, S. 99 – 110.