Wall of Fame

Portraits

ELLEN BOSENIUS
11. Januar 1915 – 26. Juni 1995
Sängerin

Ellen Bosenius

Ellen Bosenius lehrte von 1946 bis 1980 an der Hochschule für Musik Köln als Professorin für Gesang. Geboren am 11. Januar 1915 in Köln-Mülheim als einzige Tochter musikliebender Eltern, kam sie, wie sie selbst in einem autobiographischen Beitrag für das Lexikon "Rheinische Musiker" (6. Folge, 1969) berichtete, schon früh mit dem Kölner Musikleben in enge Berührung. Mit acht Jahren erhielt sie Klavierunterricht an der K. H. Schroers-Musikschule in Köln-Mülheim und besuchte 1921 bis 1927 das Ursulinen-Lyzeum, dann ein humanistisches Gymnasium, an dem sie 1934 ihr Abitur ablegte (als Beste ihres Jahrgangs, was sie in dem genannten Beitrag allerdings verschweigt). Im gleichen Jahr begann sie an der Kölner Musikhochschule ihr Gesangsstudium bei Maria Philippi (1875-1944), die als Schülerin von Julius Stockhausen und Johannes Messchaert die große Gesangstradition des 19. Jahrhunderts praktisch und pädagogisch weiter vermittelte. Ellen Bosenius' Interesse galt aber auch dem Theater; sie nahm Schauspielunterricht bei Elsa Baumbach und trieb Studien bei Carl Niessen (1890-1969), dem Kölner Theaterwissenschaftler und Gründer des heute in Wahn ansässigen Theatermuseums. 1936 legte sie die Reifeprüfung als Schauspielerin, 1938 das Konzertexamen als Sängerin ab. 

Solchermaßen vorbereitet entfaltete Ellen Bosenius sogleich eine rege Konzerttätigkeit zunächst als Oratorien- und Liedersängerin. Konsequenterweise nahm sie dann kurz nach dem Krieg ein Engagement als lyrischer Sopran ari der Städtischen Oper in Essen an. Dort und in Gastspielen im In- und Ausland errang sie Erfolge u.a. als Susanna und Pamina. Zu ihren Glanz- und Lieblingsrollen gehörte auch die Melisande in Debussys "Pelleas", und stolz war sie bei der deutschen Erstaufführung des "Zaubertranks" von Frank Martin in Essen (und bei weiteren Aufführungen auch in Köln) kurz nach der Salzburger Erstinszenierung 1948 die weibliche Hauptrolle der Isolde gesungen zu haben. 

Diese sängerische  Präsenz in Konzert und Oper wurde schon verhältnismäßig früh ergänzt durch eine intensive Lehrtätigkeit. Auch für damalige Verhältnisse war es ungewöhnlich, dass Ellen Bosenius 1946, also mit erst 31 Jahren an „ihre“ Hochschule als Professorin berufen wurde. Für Walter Braunfels (1882-1954), den letzten Direktor vor den Nationalsozialisten und ersten Präsidenten nach dem Krieg ist dies, keine unbedachte Wahl gewesen. Mit seiner künstlerischen Autorität wusste er, was er tat und die weitere Zukunft gab ihm recht. Die neue Kollegin trug neben ihren damaligen Fachkollegen schnell dazu bei, dass Köln in der Gesangsausbildung in den ersten Nachkriegsjahrzehnten trotz der zum Teil un günstigen äußeren Verhältnisse in der zerstörten Stadt zu einer ersten Adresse in Deutschland und darüber hinaus wurde. 

Entscheidend dafür war wohl nicht zuletzt, dass Ellen Bosenius gerade gegenüber der zeitgenössischen Musik, für die Köln ja damals ein Eldorado zu werden begann, neugierig und aufgeschlossen war. Sie wusste dies einerseits ihren Schülern zu vermitteln, wie vor altem die weltweite Karriere des Baritons William Pearson (er studierte ab 1956 in Köln und starb nur wenige Tage vor ihr) als Interpret der Werke von Hans Werner Henze und anderen Autoren der musikalischen Avantgarde bezeugt. Andererseits war Ellen Bosenius für manche Komponisten eine kompetente Ratgeberin in sängerischen Fragen. Dies galt in besonderem Maße für Frank Martin (1880-1974), der 1950 bis1957 an der Kötner Hochschule lehrte und es als einen Glückfall empfand, in diesen Jahren im Hause Bosenius in Bocklemünd Gastrecht zu genießen, in jenem idyllischen „Arnoldshof“, einem alten städtischen Pachthof, der durch die Hausherrin zu einem wahren Musenhof wurde. Sie selbst hat in dem Bulletin der „Societé Frank Martin“ (Nr.3, September 1982) ihre Erinnerungen an dieses Zusammentreffen wiedergegeben, auch an die Planung und Entstehung von Martins Oper „Der Sturm“, die in jene Zeit fällt. Im Arnoldshof, so heißt es in ihrem Beitrag, „spielte er die neu entstandenen Szenen, er sprach auch mit mir über Fragen der Stimme, der Vokalisation, des Bühnenfaches". 

Ein besonderes Interesse brachte Ellen Bosenius später den stilistisch völlig andersartigen Werken von Bernd Alois Zimmermann (1918-1970) entgegen. Einem Zeitungsartikel zu ihrem 65. Geburtstag 1980 von Marion Rothärmel ist zu entnehmen: “Als es hieß, Zimmermanns Oper ‚Die Soldaten' sei unaufführbar, hat sie mit ihren Schülern eine längere Partie aus diesem Werk einstudiert und vorgeführt und damit einem der ersten Schalthebel zum nachhaltigen Durchbruch verholfen“. 

Ellen Bosenius gab ihre sängerische Tätigkeit, die heute noch durch zahlreiche Aufnahmen im Schallarchiv des Westdeutschen Rundfunks dokumentiert ist, in den 1960er Jahren, auf der Höhe ihrer Erfolge, auf. Als Lehrerin gehörte sie zur Spitze ihrer Zunft. Dies bekundete sich auch ihrer Mitarbeit als Jurorin bei. internationalen Gesangswettbewerben, als Gutachterin für die Künstlerauswahl des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, für den Richard-Wagner-Verband und das „Festival des jeunes artistes“ in Bordeaux. Vier Jahrzehnte lehrte sie mit großem Engagement bei Ferienkursen in Stockholm. Im Zentrum ihrer Arbeiten mit den Sängerstudenten und später noch mit manchen „arrivierten“ Kollegen und Kolleginnen (darunter vielen aus Japan und Korea) stand stets die Vorstellung vom Gesang als der Kunst des schönen und individuellen geprägten Klangs und der Harmonie von Wort und Ton. Aber „die Bosenius“ war gleichzeitig rabiat in ihrer Auffassung von der Seriosität ihres Metiers und - bei aller Rücksicht auf menschliche Schwächen und Empfindlichkeiten - im Ablehnen von künstlerischen Kompromissen. Für ihre Schüler hat sie damit den Grund gelegt zur beruflichen Tätigkeit in Theater, Konzert, Funk und Schallplatte. Einige haben sich internationalen Rang erworben, darunter Edda Moser und Kurt Moll, die beide heute ebenfalls in Köln lehren, Helen Donath, Ingeborg Most und Raimund Gilvan. 

Am 26. Juni 1995 starb Ellen Bosenius im Alter von 80 Jahren nach kurzer Krankheit in Köln. Sie war bis 1980 Leiterin einer Gesangsklasse an der Hochschule für Musik Köln und blieb darüber hinaus bis zuletzt sozusagen ein fester Begriff in diesem Hause.

Günther Massenkeil