Wall of Fame

Portraits

FRANK MAURITS
29. Juli 1892 – 3. März 1959
Cellist

Frank Maurits

Maurits Frank war von 1949 bis 1959 Professor für Violoncello und Kammermusik an der Kölner Hochschule für Musik. Frank war einer der ersten jüdischen Künstler, die sich nach dem Krieg wieder in Deutschland niederließen und dort arbeiteten. Über seine Leidenszeit während der deutschen Besatzung in Holland hat er nie gesprochen. Franks Repertoire war riesig. Als Cellist des Amar-Hindemith-Quartetts hat er in den zwanziger Jahren an die 200 Konzerte mit rund 300 Stücken querbeet durch die Musikliteratur absolviert. Ein Streichquartett von derart toleranter Vielseitigkeit sucht man heute vergebens. Frank war ein Arbeitstier, seine Proben dauerten ewig. Aber: Er führte in einer Saison mit zwei Studentenquartetten sämtliche sechs Quartette von Béla Bartók auf, lange bevor diese grandiose Musik in den Konzertsälen der Welt heimisch wurde. Und er brachte die erste Aufführung von Schönbergs „Pierrot lunaire“ an einer europäischen Hochschule auf die Bühne.

Frank übertrug seine Vorstellung vom Legatospiel des Quartetts auf alle anderen Instrumente und erzielte damit einen unglaublich homogenen Klang. Und ich verlor eine Wette gegen meinen Freund Christoph Caskel, als dieser schwor, Frank würde ihm auch auf dem klangärmsten aller Instrumente, dem Xylophon, das Legatospielen beibringen. Zu unserer Erheiterung hat er das wirklich und wahrhaftig versucht. Pianisten schätzte er im allgemeinen nicht sonderlich, die ganz Großen schon gar nicht. „Die könne alle nicht Zählen!“ So sein Kommentar. Wohl Wahr.

Er war äußerst eloquent und sehr sprachbegabt, und es war lustig, mitanzuhören, wie sein jiddisches Idiom immer wieder durchbrach, ganz gleich, ob er englisch, französisch, deutsch oder holländisch parlierte. Er fürchtete sich vor nichts und niemandem. Und er nahm kein Blatt vor dem Mund. Auf einem hochschulinternen Wettbewerb, das Cellokonzert Von Katchaturian begleitend, hörte ich mit an, wie ein Juror Frank zuflüsterte: „Ein ausgezeichnetes Werk, nicht wahr, Herr Kollege?“ Frank zischelte leise, aber deutlich vernehmbar, zurück: „Ich find's Sch...“. 

Meine Lehrerin Else Schmitz-Gohr, eine große Brahmsverehrerin und -interpretin schockierte er mit den Worten: „Brahms mag ich nicht, der riecht nach Zwiebeln.“ Natürlich meinte er das nicht ernst, aber er amüsierte sich königlich über die entsetzte Reaktion meiner armen Else, die voll auf seinen Joke hereingefallen war. Sein drastischer Spott machte selbstverständlich auch vor uns Studenten nicht halt. Einen Kommilitonen, der sich mühte, seinem kargen Instrument annehmbare Töne zu entlocken, irritierte Frank mit dem wundersam – akustischen Vergleich: „Wisse se Ihr Cello klingt heute mal wieder wie e halbgefilte Nachttopf.

Am Ende seines Lebens erfüllte er sich einen Wunschtraum: Er gründete sein eigenes Kammerorchester, das RKO, das er bis zu seinem Tode leitete. Ich hörte sein letztes Konzert. Er dirigierte Anton Weberns „Fünf Sätze für Streichorchester op. 5“. Ich habe diese expressiven musikalischen Stenogramme nie wieder so eindrucksvoll erlebt wie an jenem Abend. Es war sein Requiem. 

Alfons Kontarsky