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Portraits

HANS KLOTZ
25. Oktober 1900–11. Mai 1987
Organist und Kirchenmusiker

Hans Klotz

Hans Klotz war von 1954 bis 1965 Leiter des Instituts für Evangelische Kirchenmusik an der Hochschule für Musik Köln. Zur Kirchenmusik jedoch führte der Weg des am 25. Oktober 1900 in Offenbach als Sohn eines Kaufmanns geborenen zunächst nicht. 1914 bis 1918 spielte Klotz zwar die Orgel der Frankfurter Christuskirche, war auch fasziniert vom Disput um die rechte Bach-Interpretation zwischen Straube, der farbig und agogisch spielte, und Albert Schweitzer, dem es um authentisches Barock ging. Aber nach Humanistischem Abitur, Kriegsdienst und Kaufmannslehre studierte er erst einmal in Frankfurt am Dr. Hoch'schen Konservatorium Musiktheorie, Komposition und Klavier, parallel dazu an der Universität Musikwissenschaft, Philosophie und Pädagogik und promovierte 1927 mit der Dissertation „Über die Prägnanz akustischer Gestalten als Grundlage für die Theorie des Tonsystems".

Dann aber packte ihn die Kirchenmusik fundamental. Er wechselte 1927 ans Leipziger Konservatorium zu Straube und machte so rasche Fortschritte, dass er ein Jahr später bereits die Kantorenstelle an der Aachener Christuskirche bekam. 1929 legte er die „Große Leipziger Prüfung“ ab und begann mit der Aufbauarbeit, brachte alle großen Chor- und Orgelwerke Bachs zur Aufführung. Über seinen Aachener Bach-Verein war bald Kontakt zu Schweitzer geknüpft, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verbinden sollte. Und nicht nur dies: Schweitzer ebnete Klotz auch den Weg zu Charles-Marie Widor, dem Organisten an St. Sulpice zu Paris. Bei ihm nahm er ein Jahr später Unterricht und fand so in eine bis zu Bach zurückreichende Schüler-Genealogie.

Die Aachener Zeit war auch eine wissenschaftlich produktive: Es entstand das heute in 10. Auflage vorliegende „Buch von der Orgel“, dem nach dem Kriege „Die Ornamentik der Klavier- und Orgelwerke von J.S. Bach“ und „Über die Orgelkunst der Gotik, der Renaissance und des Barock“ folgten. In Aachen heiratete er; seine Frau Anneliese hatte er auf einer Singefreizeit kennengelernt. Die Töchter Almut und Wiltrud wurden geboren. Noch einmal aber musste Klotz in den Krieg ziehen. Als er wieder zurück kam, lag Aachen in Trümmern. Die Familie wurde in den Hunsrück evakuiert; Orgelkonzerte, für die es statt Honorar u. a. Brot und Schinken gab, halfen über ärgste Not hinweg.

Da erreichten Klotz auf Empfehlung Straubes zwei Rufe: an die Nikolaikirchen in Leipzig und Kiel. Den Norden zog er vor, mit Feuereifer nahm er die Arbeit auf, begründete Bach-Wochen und Reger-Tage, komponierte für Orgel und für Chor, begann an der Schleswig-Holsteinischen Musikakademie und der Norddeutschen Orgelschule Lübeck zu unterrichten, wurde so Lehrer u.a. von Manfred Kluge und Manfred Teßmer. In Flensburg kam als drittes Kind Tochter Mechthild zur Welt – 8’, 4,’ 1’ im Sinne einer barocken Disposition, wie Vater Klotz scherzte.

1954 dann der Sprung von der Ostsee an den Rhein. Hans Mersmann hatte Klotz auf eine Professur an die Kölner Musikhochschule als Nachfolger Wolfgang Aulers berufen und damit zum Leiter des Instituts für Evangelische Kirchenmusik. Zwölf intensive Hochschuljahre folgten, in denen Klotz sein profundes Wissen einem großen Schülerkreis weitergab, 1959 bis 1961 übrigens auch auf der Sommerakademie in Haarlem. Es waren Jahre, in denen er viel konzertierte, Orgelneubauten und -restaurationen begleitete, Editionen besorgte (Bach, Reger), Lexikonartikel (MGG) und manche Aufsätze, auch Rezensionen schrieb und Vorträge hielt. Obenan stand stets der Nachwuchs, von dem er tägliches Üben bei unbedingter Beachtung der Fingersätze verlangte. Ein Postulat, das auch für ihn galt, der er ein Dutzend Programme großer Werke von Bach bis Messiaen auswendig spielte und sich dabei selbstverständlich ohne Noten assistieren ließ. Schade, dass es nur eine LP gibt (Reger, op. 52, 3 und op. 56, 1; Cantate).

Dankbar erinnern sich an ihn – um nur Namen der Kölner Ära zu nennen – Gisela Beer, Günter Eumann, Henning Frederichs, Volker Hempfling, Klaus Linkenbach, Winfried Pesch, Gerda Schaarwächter, Irmgard Stingel, Hildegard Thaleiser und Hans-Martin Theil; der Verfasser dieser Zeilen darf sich dazuzählen. Klotz wurde respektiert als eine bedeutende musikalische Autorität und als eine über hohe Allgemeinbildung verfügende Lehrerpersönlichkeit mit englischen, französischen, holländischen und ungarischen Sprachkenntnissen. Keineswegs unnahbar war er, eher vornehm-bescheiden und – wenn geraten – auch humorvoll: Einen Riegel Schokolade gab's gelegentlich zur Belohnung. Dennoch: Seine Methode kennzeichnete eine Strenge, die – wie er 1970 Henning Frederichs schrieb – doch eigentlich nur darin bestand, „... neben einigem anderen den Grundsatz zu vertreten, dass man... jede Note wichtig nehmen muss.“

Als Prof. Hermann Rau, Präsident des Verbandes evangelischer Kirchenmusiker Deutschlands, am 4. November 1986 die Karl-Straube-Plakette an Prof. Dr. Hans Klotz verlieh, begann er seine Laudatio mit den Worten: „In der Personalunion von Kantor und Organist, von Wissenschaftler, Interpret und Pädagoge hat sich Prof. Dr. Hans Klotz vortrefflich und herausragend um die evangelische Kirchenmusik und darüber hinaus um die Musikwissenschaft verdient gemacht.“

Zwei Jahrzehnte waren ihm nach der Pensionierung noch geschenkt, eine Zeit, die er in vielfacher Weise nutzte: mit wissenschaftlicher Arbeit, auch regelmäßig übend und konzertierend. Mitte 80, konzertierte er noch mit Bach-Sonaten. Am 11. Mai 1987 starb er, fast auf den Tag 50 Jahre nach Widor, auf den Tag 71 Jahre nach Reger. Über die Todesanzeige setzte die Familie das Bach'sche Soli Deo gloria. 

Joachim Dorfmüller