Wall of Fame

Portraits

HERMANN ABENDROTH
19. Januar 1883 - 29. Mai 1956
Dirigent

Hermann Abendroth

Der Dirigent Hermann Abendroth (19.01.1883 – 29.05.1956) war von 1915 bis 1925 der Direktor des Konservatoriums Köln und baute ab 1925 gemeinsam mit Walter Braunfels als Gründungsrektor das Konservatorium zu einer Musikhochschule aus. In dieser Funktion blieb er, bis er 1934 von den Nationalsozialisten aus allen seinen Ämtern entlassen wurde. Im Anschluss trat er eine neue Stelle als Gewandhauskapellmeister in Leipzig an.

Seine musikalischen Grundkenntnisse eignete Hermann Abendroth sich zu Beginn selbst an und absolvierte bis 1901 eine Buchhändlerlehre. Ab 1901 widmete er sich dann in München der Musik. Schon während seines Studiums arbeite Abendroth als Dirigent in München und bewarb sich 1905 erfolgreich auf die Stelle als Chefdirigent des philharmonischen Orchesters in Lübeck. Bis 1911 arbeitete er als Kapellmeister in der Hansestadt, wo er die Programmgestaltung modernisierte und versuchte dem Publikum auch zeitgenössische Komponisten näherzubringen. 1911 bot ihm die Stadt Essen die Position des städtischen Musikdirektors an. Auch hier trieb er sein Modernisierungsprogramm voran.

1915 ereilte ihn der Ruf aus Köln und er wurde dort städtischer Musikdirektor, Dirigent der Gürzenich-Konzerte und Direktor des Konservatoriums. Ab 1925 baute er das Konservatorium als Gründungsrektor gemeinsam mit Walter Braunfels zur staatlichen Musikhochschule um. Nach der sogenannten Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde er 1934 aus allen seinen Ämtern entlassen. Ihm wurden seine Konzertreisen in die Sowjetunion zum Vorwurf gemacht und die Zusammenarbeit mit jüdischen Künstlern kritisiert. Studenten und Dozenten der Hochschule solidarisierten sich daraufhin mit Abendroth. Schließlich stürmten SA-Schlägertrupps die Hochschule und zwei Professoren wurden so stark verprügelt, dass sie wochenlang nicht mehr arbeiten konnten. Abendroth musste Köln also verlassen, fand allerdings eine neue Stelle als Gewandhauskapellmeister in Leipzig.

Bis heute wird über die Rolle Abendroths, der wahrscheinlich aufgrund starken Drucks 1937 der NSDAP beitrat, in der NS-Diktatur diskutiert. Als Repräsentant des Systems unternahm er Konzertreisen mit dem Gewandhausorchester in eroberte Gebiete, passte seine Konzertprogramme an und schrieb systemkonforme Artikel in Musik-Fachzeitschriften. Privat setzte er sich jedoch für Bekannte ein, die wegen jüdischer Ehepartner oder ihrer Einstufung als ‚Halbjude‘ in Schwierigkeiten gerieten.

Nach Kriegsende musste er wegen seiner widersprüchlichen Rolle aus Leipzig nach Weimar wechseln, unterrichtete und baute dort die Musikhochschule wieder auf. Zum 25-jährigen Jubiläum der Musikhochschule in Köln besuchte er 1950 die Stadt und leitete das Festkonzert der Hochschule. Die Studenten des Hochschulorchesters waren, laut Kölner Stadtanzeiger vom 09.05.1950, begeistert von Abendroth: „Feiner Kerl! Raucht beim Dirigieren! – Er fasst alles genau beim Schopf! Manchmal legt er den Taktstock hin und guckt uns nur an. Allein mit seinen Augen hat er uns ganz in der Gewalt!“

Wahrscheinlich wegen der Spannungen des Kalten Krieges erhielt Abendroth als exponierter Vertreter der DDR ein Auftrittsverbot im gesamten Rheinland. Erfolge feierte er nun vor allem im Osten, so zum Beispiel in Moskau. Hermann Abendroth starb am 29. Mai 1956 und erhielt in der DDR ein Staatsbegräbnis. Auch die Musikhochschule Köln veranstaltete mit den Gürzenich-Ensembles ein Gedenkkonzert zu Ehren Abendroths. Seine Popularität hatte er in Köln nie verloren.

Martin Berghane