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Portraits
SIEGFRIED PALM
25. April 1927 – 6. Juni 2005
Cellist
SIEGFRIED PALM
25. April 1927 – 6. Juni 2005
Cellist
Von den drei Direktoren, die nach 1945 die Kölner Hochschule leiteten, waren die ersten beiden – Mersmann und Schröter – aus Berlin und Frankfurt nach Köln gerufen worden. Der dritte, Siegfried Palm, war schon im Hause, als er im Herbst 1972 Zum Direktor ernannt Wurde – er war seit 1962 (als Nachfolger Adolf Steiners) einer der Kölner Professoren für das Fach Violoncello.
Palm hat immer gern erzählt, dass er beim Dienstantritt in Köln den „Nachweis eines abgeschlossenen Hochschulstudiums“ nicht vorlegen könnte – mit der sehr einfachen Begründung, dass er eine Musikhochschule oder ein Konservatorium nie besucht habe.
Palm, Jahrgang 1927, hatte stattdessen bis zu seinem Abitur eine überaus gründliche Ausbildung abgeschlossen; dazu gehörte auch die Mitwirkung als Aushilfs-Cellist im Orchester seiner Heimatstadt Wuppertal oder das Kammmusikspiel in den verschiedensten Besetzungen, das – erstaunlich genug – in den letzten Kriegsjahren durchaus noch möglich war. In den zerstörten Städten Westdeutschlands, wie etwa in Wuppertal, war im Sommer 1945 an Wiederaufnahme eines regelmäßigen Theater oder Opernbetriebs noch kaum zu denken. Es gab allerdings Ausnahmen, eine davon war Lübeck. Das Theatergebäude war kaum beschädigt, der Fundus einigermaßen erhalten, sodass man dort nach verblüffend kurzer „Nachkriegspause“ schon wieder spielen konnte. Und: Auf Anfrage des jugendlichen Cellisten Palm hatte das Orchester Lübeck nicht nur postwendend reagiert, sondern lud kurzerhand gleich zu einem Probespiel, mit dem Resultat einer Verpflichtung als Solo-Cellist des Orchesters.
Dass ein ehrgeiziger junger Cellist sich irgendwann noch nach anderen Möglichkeiten umsehen würde, das ist sicher verständlich, dass es Palm aber gelang, schon 1946 (und wiederum als Solocellist) zum Rundfunk-Sinfonieorchester Hamburg des NWDR zu wechseln, das ist zumindest nicht ganz selbstverständlich (und Palm hat das sehr umfangreiche und mehr als eine Stunde währende Probespiel einmal sehr plastisch zu Schildern gewusst). Das Hamburger Orchester des NWDR (später erst in „NDR“ und „WDR“ geteilt) begann damals schon, einen Teil seiner Produktionen der „Neuen Musik“ zu widmen. Für Siegfried Palms spätere Arbeit war aber mindestens ebenso seine langjährige Tätigkeit als Cellist des Hamann Quartetts wichtig. Wenn dieses Ensemble im Jahre 1954 alle Streichquartette Arnold Schönbergs aufführte, so war dies für den Spieler eines Streichinstruments eine Basis, auf der jegliche Interpretation „Neuer Musik“ aufbauen konnte.
Es war daher sicher kein Zufall, dass der Dirigent und Komponist Winfried Zillig auf den Hamburger Solocellisten aufmerksam wurde und anfragte, ob dieser sein neues Cello-Konzert spielen wollte, und ebenso wenig wird es Zufall gewesen sein, dass Bernd Alois Zimmermann sich die Kölner Aufführung des Zillig-Konzertes anhörte und gleich danach den Solisten Palm auf eine mögliche Zusammenarbeit ansprach.
Es ging Zimmermann um seinen „Canto di Speranza“ und im April 1957 schreibt Zimmermann an Heinrich Strobel: „(...) Ich habe nach jahrelangem Suchen nunmehr in Herrn Siegfried Palm einen Solisten gefunden, der den exorbitant schweren Solopart des Werkes übernommen hat (...)“.2 Die Uraufführung im September 1958 fand dann entsprechendes Echo in der Presse: Palm, der Kennern und Liebhabern der „Neuen Musik“ bis dahin schon als „Geheimtipp“ galt, wurde damit auch einer breiten Öffentlichkeit als einer der führenden Interpreten der allerjüngsten Musik vorgestellt.
Mit immer zunehmenden solistischen Verpflichtungen ergaben sich für Siegfried Palm auch immer mehr pädagogische Aufgaben – und der „Neuen Musik“ konnte und wollte er sich auch innerhalb seiner Lehrtätigkeit nicht entziehen. Seit 1962 gehörte er, um nur ein Beispiel zu nennen, zum Stamm der Dozenten der Darmstädter „Ferienkurse für Neue Musik“, wo auch ich ihn persönlich kennen lernen konnte. Die Erinnerung an den damaligen ersten Eindruck ist die an den Dozenten, der jederzeit druckreife Sätze formulieren konnte und an den Lehrer, der immer die Fülle verschiedenartigster musikalischer Erfahrungen spüren ließ, auf denen seine Arbeit aufbaute – und in dessen Kursen auch „Nicht-Streicher“ immer etwas lernen konnten.
Als Palm 1972 zum Hochschuldirektor ernannt wurde, da war es diese Vielseitigkeit, (die Tatsache, dass da jemand auf mehreren Gebieten unseres Musiklebens ein „absoluter Profi“ war), die ihm eine natürliche Autorität sicherte.
Dass Siegfried Palm der „Neuen Musik“ auch in unserer Hochschule weiteren Raum schaffen, dass er den von Heinz Schröter begonnen „Weg der Kölner Hochschule in die Moderne“ weitergehen würde, das wurde allgemein erwartet und Palm hat diese Erwartungen nicht enttäuscht. Das deutlichste Signal in dieser Richtung war die Berufung des Komponisten Mauricio Kagel als Professor für das Fach „Neues Musiktheater“, das es so noch an keiner anderen Hochschule gab.
Palm wollte sich aber keinesfalls auf ein irgendwie geartetes Spezialistentum festlegen lassen. Wenn, bei weiter steigenden Studentenzahlen, Lücken im Ausbau unserer Hochschule sichtbar geworden waren, so machte er sich unverzüglich auch an diese Aufgaben. War es Schröter gelungen, für die wichtigsten Holzblasinstrumente volle Professuren zu etablieren3, konnte Palm mit neuen Professorenstellen für Horn (Penzel), Posaune (Globokar), Blockflöte (Höller) und Schlagzeug den Kreis der Dozenten so erweitern, dass eine gewisse Vollständigkeit und Abrundung des Lehrangebots absehbar wurden. Dass er, nicht zuletzt durch die Verpflichtung von Volker Wangenheim, die wichtige Rolle des Orchesters innerhalb der Hochschularbeit neu definierte, darf in diesem Zusammenhang nicht vergessen werden. 1976 ging er als Generalintendant zur Deutschen Oper Berlin. Für eine kontinuierliche und bruchlose Weiterführung seiner Arbeit hat er sozusagen schon selbst gesorgt, als er, gleich in den ersten Tagen nach seiner Ernennung, Franz Müller-Heuser als stellvertretenden Direktor gewinnen konnte.
Christoph Caskel